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Lit-Tipp 1: für Lebenstraum-Konservatoren

Remco Campert: Eine Liebe in Paris. Zürich, Hamburg 2005.

"Man hatte die Freiheit, selbst zu entscheiden, was man vergessen wollte." (S. 127)

Ein Meister seines Fachs: Die Kunst des Vergessens

"L’art d‘oublier" heißt das Buch des niederländischen Autoren Richard, zu dessen Premiere er nach Paris reist. Just diese Promenade durch Paris wird für den sechzigjährigen Richard zu einem Spaziergang der Erinnerungen. Die Stadt seiner Jugendträume und erster künstlerischer Rückschläge bietet auch dem nun erfolgreichen Schriftsteller keinen sicheren Boden. Sie entreißt ihm die jahrzehntelang erworbenen Utensilien des Verdrängungs- und Vergessenskünstlers. Rausch, Resignation, Ratio und Rückzug, die bis dato die Verhaltenspalette des verletzten Halbwaisen und des tief verunsicherten Jungdichters gebildet haben, verweigern ihren zuverlässigen Dienst als künstlerisches Arbeitsgerät. Erschreckt muss Richard feststellen, dass der verlorene Sohn nur dann den Rückblick und die Erinnerung wagen kann, wenn er sich mit sich selbst ausgesöhnt hat. Die Stadt des Lichts beleuchtet überdeutlich, was Alkohol und Alltag nun nicht mehr vernebeln können: wie weh es tut, geliebt zu werden und sich dem großen Traum nicht gestellt zu haben. Die Begegnung mit einer belle oubliée reißt versiegelte Sphären des Unterbewussten auf und mündet in unbekanntem Gewässer. (Nic 27.02.2006)